| | Eine eher selten auftretende Krankheit beim jungen Hund ist die craniomandibuläre Osteopathie. Hierbei handelt es sich um eine gutartige Umfangsvermehrung des Unterkiefers. Sie bildet sich in den meisten Fällen zurück. Die Ursache ist nicht geklärt. Ebenso gibt es keine gut wirksame Therapie. Die craniomandibuläre Osteopathie befällt meistens West Highland White Terrier und andere Terrier.
Begriffserklärungen
Der seltsam anmutende Name "Craniomandibuläre Osteopathie" (CMOP) setzt sich aus den Begriffen "Cranium" (Schädel), "Mandibula" (Unterkiefer), "Osteum" (Knochen) und "Pathie" (Krankheit) zusammen. Die CMOP beschreibt also eine Knochenkrankheit des Schädels und des Unterkiefers. Allein schon die Tatsache, dass kein besserer Name dafür gefunden werden konnte, zeigt auf, dass die CMOP noch nicht ganz verstanden wird. Die CMOP wurde erstmals 1958 von Littleworth beschrieben. Seither finden sich mehrere Fallberichte und Übersichtsartikel zum Thema CMOP, jedoch keine wissenschaftlich fundierten Untersuchungen über die Entstehung.
Folgende Symptome sind bekannt:
Die CMOP befällt praktisch ausnahmslos wachsende Hunde. Das Patientengut setzt sich vorwiegend aus West Highland White Terriern zusammen. Andere betroffene Rassen sind Cairn Terrier, Scottish Terrier, Boston Terrier, Deutscher Schäferhund, Dobermann-Pinscher, Deutsche Dogge, Labrador Retriever und Boxer.
Zunächst fällt dem Besitzer auf, dass der Hund ungern frisst und sich nicht gerne im Kiefer- oder Schädelbereich berühren lässt. Oft wird dies dem Zahnwechsel zugeschrieben und nicht weiter beachtet. Typischerweise befällt die CMOP die Hunde im Alter von 4–6 Monaten. Die Kauschwierigkeiten werden dann stärker, der Hund beginnt zu speicheln und bei genauer Untersuchung fallen kleine bis große, harte, schmerzhafte und entzündliche Umfangsvermehrungen am Unterkiefer auf. Die Hunde können in dieser Zeit Fieber entwickeln und an Gewicht verlieren. Die Umfangsvermehrungen wachsen über Wochen und Monate. Sie können die Gesichtsform dergestalt verändern, dass die West Highland White Terrier ein Löwen-artiges Aussehen bekommen. Die CMOP wird denn auch als "Lions-jaw" (Löwen-Kiefer) bezeichnet. In ungünstigen Fällen gehen die Wucherungen auf das Kiefergelenk über.
Interessanterweise limitiert sich die CMOP nach einigen Monaten selber, weswegen die Prognose meist als günstig bezeichnet werden kann. Nach wenigen Wochen bilden sich die Wucherungen nämlich spontan zurück und der Hund gesundet von alleine. Im Alter von etwa einem Jahr können kaum noch Wucherungen aufgespürt werden. Nur noch auf Röntgenbildern sind dann die Überreste der Krankheit zu sehen. Weniger Glück haben diejenigen Hunde, bei denen das Kiefergelenk in Mitleidenschaft gezogen wurde. Ein einmal befallenes Gelenk wird seine Funktion nicht mehr zufriedenstellend ausüben. Es müssen dann (je nach Befall) chirurgische Auswege, wie zum Beispiel die Entfernung des Gelenkes, angestrebt werden.
Die CMOP ist nicht auf den Unterkieferknochen beschränkt. Ähnliche blumenkohlartige Wucherungen findet man am Mittelohrknochen, an der Schädeldecke oder selten auch an den langen Röhrenknochen. Der Lokalisation entsprechend sind die klinischen Symptome. So werden Hunde mit Lahmheiten, Schielen oder untypischen Schwellungen vorgestellt.
Was man über die Entstehung von CMOP weiß
Nach wie vor weiß die versammelte Fachwelt wenig über die CMOP. Zunächst könnte man an Knochenkrebs glauben, denn die Wucherungen sehen wie Krebs aus und wachsen ebenso ungehemmt. Was hingegen nicht für Krebs spricht, ist die spontane Zurückbildung und das Auftreten bei sehr jungen Hunden.
Man darf sich auch fragen, weswegen die CMOP praktisch ausschließlich am Unterkiefer auftritt. Die erhöhte Knochenaktivität im Zusammenhang mit dem Zahnwechsel, welcher meist im 5. bis 7. Monat stattfindet, könnte zur Auslösung führen. Dann müsste aber noch geklärt werden, weshalb am Oberkiefer kaum CMOP auftritt. Am wahrscheinlichsten sind jedoch die Theorien, wonach es sich entweder um eine Entgleisung des Nierenstoffwechsels oder um eine vererbte Krankheit handelt.
Die Niere filtert verschiedene Produkte aus dem Blut, produziert den Urin und führt einige Elektrolyte wieder in den Kreislauf zurück. Ein Defekt in der Filterfunktion der Niere respektive ein Nicht-Ansprechen der Niere auf ein Hormon der Nebenschilddrüse kann dazu führen, dass der Phophatspiegel im Blut über das normale Maß ansteigen kann. Es ist bekannt, dass das Phosphat seinerseits in den Knochenstoffwechsel eingreift. Es senkt nämlich die Zahl der Knochen abbauenden Eiweiße (Osteoklasten). Damit kann der Knochen junger Hunde ungehindert wachsen und die Strukturen wie bei einer CMOP annehmen.
Ahnenforschungen bei West Highland White Terriern haben ergeben, dass die betroffenen Hunde über einen oder mehrere gemeinsame Ahnen miteinander verwandt sind. Der Erbgang konnte teilweise aufgeklärt werden, ist vermutlich rezessiv und auf mehrere Gene abgestützt. Das Wort rezessiv bedeutet, dass ein Hund mit dem Trägergen keine CMOP bekommen muss. Nur wenn das Trägergen sowohl von der Mutter als auch vom Vater vererbt wurde, kommt die Krankheit zum Ausbruch. Es wird empfohlen, dass die betroffenen Hunde nicht zur Zucht zugelassen werden. Da gesunde West Highland White Terrier Träger der Erbinformation für CMOP sein können, sollten in betroffenen Hundestammbäumen die Junghunde systematisch mittels Röntgenbildern kontrolliert werden. Bei anderen Rassen als dem West Highland White Terrier wurde der Erbgang nicht weiter aufgeklärt. demagazin 8/2006 Verlangen Sie eine Probenummer unter Tel. 044 / 835 77 35
Kann CMOP therapiert werden?
Es gibt leider keine Therapie, welche den Fortgang der CMOP stoppt. Den betroffenen Hunden und Besitzern bleibt nicht viel mehr als zu warten, bis die CMOP sich selber limitiert und sich die Wucherungen zurückbilden.
Selbstverständlich können die Schmerzen therapiert werden. In der Literatur wird noch häufig das Cortison als Mittel der Wahl angegeben. Dies auch deswegen, weil Cortison einen hemmenden Effekt auf den Phosphatspiegel haben soll und dadurch der Abbau der Wucherungen womöglich gefördert wird. Heutzutage ist der Einsatz von modernen Schmerzmitteln der Gruppe der so genannten "Nicht-steroidalen Entzündungshemmer" dem Cortison vorzuziehen.
Das Futter soll für stark betroffene Hunde weich sein, damit die Kieferknochen nicht zu stark arbeiten müssen. Die Zusammensetzung sollte hingegen nicht verändert werden, da es sich um wachsende Tiere handelt und eine Diät-Imbalance weitere Skelettveränderungen nach sich ziehen kann.
Nur in seltenen Fällen muss chirurgisch interveniert werden. Es handelt sich dann um die Befreiung des Kiefergelenkes von Knochenwucherungen oder der radikalen Entfernung des Kiefergelenkes. Kleine Hunde können ganz gut ohne Gelenk leben. Die CMOP führt ausnahmsweise zur Euthanasie, wenn der Hund wegen der Schmerzen im Kiefergelenk nicht mehr fressen kann und auch eine chirurgische Sanierung ohne Erfolgschance ist.
Ähnliche andere Erkrankungen
Bei den Tieren findet man keine weiteren entsprechenden Krankheiten. Bei der Katze sind zwar Auftreibungen des Knochens beobachtet worden, diese gingen aber immer von der Knochenhaut aus.
Beim Menschen jedoch gibt es eine ähnliche Krankheit unter dem Namen Paget-Krankheit oder Osteitis deformans. Betroffen sind vorwiegend Männer über 40 Jahre. Die Erkrankung tritt an Becken, Gliedmaßenknochen und am Schädel auf. Interessanterweise findet man ähnlich wie beim West Highland White Terrier familiäre Häufungen. Neuerdings wird auch eine Virusbeteiligung diskutiert. Dies würde auch die CMOP des Hundes in ein neues Licht stellen.
Grundsätzlich muss die CMOP von Knochenkrebs unterschieden werden. Falls die Wucherungen im Röntgenbild nicht die typische Form aufweisen, die Erkrankungen nicht im Welpenalter beginnen oder sonst Zweifel bestehen, ist eine Gewebeprobe zu entnehmen und zu analysieren.
Zusammenfassung
Bei der craniomanibulären Osteopathie (CMOP) handelt es sich um eine meistens gutartig verlaufende Wucherung des Kieferknochens. Sie tritt immer im Welpen-/Junghundealter auf. Die am häufigsten betroffene Rasse ist der West Highland White Terrier. Zur Diagnosesicherung ist ein Röntgenbild oft ausreichend. Schmerzmittel und püriertes Futter helfen über die schlimmste Zeit hinweg. Die Erkrankung limitiert sich selber, die Wucherungen bilden sich zurück. Die CMOP wird bei West Highland White Terriern vererbt. Eine Züchtung mit betroffenen Hunden ist nicht zu empfehlen.
Autor: Daniel Koch, Dr. med. vet. ECVS Koch & Bass Überweisungspraxis für Kleintiere CH-8253 Diessenhofen
Quelle
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| | Die von uns entdeckte Mutation ermöglicht erstmals eine gezielte Selektion von Hunden, die die CMOP-Mutation nicht aufweisen und hat einen hohen diagnostischen Nutzen bei CMOP-verdächtigen Tieren. Daher können interessierte Besitzer, Züchter und Tierärzte bei Hunden der Rassen Cairn, West Highland White und Scottish Terrier ab dem 1. Dezember 2012 diese Mutation untersuchen lassen. Der Preis für ein Testergebnis beträgt 110 CHF oder 85 EUR. Antragsformular sowie nähere Angaben zum Test befinden sich auf unserer Internetseite: http://www.genetics.unibe.ch/content/dienstleistung/hund/index_ger.html Der direkte Gentest weist die von uns identifizierte ursächliche Mutation für CMOP bei Cairn Terriern, Scottish Terriern und West Highland White Terriern nach. Wir untersuchen eine spezifische DNA-Sequenzveränderung in einem bestimmten Gen, die die CMOP verursacht. Jeder Hund bekommt eine Kopie dieses Gens von seiner Mutter und eine Kopie von seinem Vater. Die Kombination der beiden Kopien eines Hundes wird als sein Genotyp bezeichnet. Die drei möglichen Genotypen lauten CMOP-0, CMOP-1 und CMOP-2.
CMOP-0 (frei): Diese Tiere haben zwei normale Kopien des untersuchten Gens und sind mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit CMOP-frei.
CMOP-1 (geringes Risiko): Diese Tiere tragen eine Kopie der CMOP-Mutation und eine normale Kopie des untersuchten Gens. Es kann nicht gesagt werden, von welchem Elternteil welche Kopie stammt. Diese CMOP-1-Hunde weisen ein relativ geringes Risiko auf, selber an CMOP zu erkranken. CMOP-1-Hunde werden an etwa die Hälfte ihrer Nachkommen die mutierte Form des Gens weitergeben und an die andere Hälfte ihrer Nachkommen die normale Form des Gens. CMOP-1-Zuchttiere werden bei Verpaarung mit freien CMOP-0-Tieren etwa 50% Nachwuchs mit geringem Risiko (CMOP-1) und etwa 50% freien Nachwuchs (CMOP-0) haben.
CMOP-2 (hohes Risiko): Diese Tiere tragen zwei Kopien der CMOP-Mutation und erkranken mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit an CMOP (über 57% der bislang von uns untersuchten Hunde mit zwei Kopien der CMOP-Mutation waren nachweislich erkrankt). Tierärzte und Züchter sollten sich bewusst sein, dass der CMOP-2-Genotyp nicht vollständig penetrant ist. CMOP-2-Hunde werden eine Kopie des mutierten Gens an alle ihre Nachkommen weitervererben.
Der Gentest wird effektiv dazu beitragen, die Anzahl CMOP-erkrankter Hunde in den drei Rassen zu vermindern. Wir raten dringend davon ab, CMOP-2-Hunde weiterhin für die Zucht einzusetzen. Wertvolle CMOP-1-Hunde können jedoch zur Zucht eingesetzt werden, wenn sie mit homozygot freien CMOP-0-Hunden verpaart werden. Ein radikaler Zuchtausschluss aller Träger zum jetzigen Zeitpunkt würde die genetische Basis innerhalb der Rassen zu stark einengen und könnte sehr leicht zu einer Häufung anderer Erbkrankheiten führen. Wertvolle CMOP-1-Zuchttiere sollten momentan weiter eingesetzt werden und werden bei Verpaarung mit freien CMOP-0-Tieren 50% freien Nachwuchs haben, aus welchem dann die Tiere mit den gewünschten Eigenschaften für folgende Generationen ausgewählt werden können.
Wir ermutigen insbesondere Besitzer von klinisch an CMOP erkrankten Hunden, Proben einzusenden. Blutproben von betroffenen Hunden, von denen Röntgenbildern vorliegen, werden kostenlos getestet. Entsprechende Tiere können uns helfen, die noch offene Frage nach dem Ausmaß der unvollständigen Penetranz, d. h. des Erkrankungsrisikos der CMOP-1- und CMOP-2-Hunde, zu beantworten. Außerdem ermöglichen diese Proben eine weitere Erforschung möglicher anderer Ursachen der CMOP in den drei Terrier Rassen.
Danksagung Wir möchten uns bei allen Personen bedanken, die durch ihre Arbeit zum Gelingen dieses Forschungsprojekts beigetragen haben. Unser besonderer Dank gilt allen Hundebesitzern, Züchtern und Tierärzten, die durch das Einsenden von Blutproben und weiteren Angaben unsere Forschung ermöglicht haben.
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