| | Cystinsteine beim Hund wurden das erste Mal bereits im Jahr 1823 beschrieben. Die erste Arbeit, die eine genetische Grundlage der Cystinsteine entdeckte, wurde 1936 publiziert. Und es waren Irish Terrier, an denen diese Studie durchgeführt wurde. Daraus lässt sich auch ableiten, dass die ursprüngliche(n) causale(n) Mutation(en) bereits vor langer Zeit stattgefunden haben, was auch den Schluss zulässt, dass die entsprechenden Mutationen weit in der Rasse verbreitet sind.
Cystinurie tritt beim Hund in einer ganzen Reihe von Rassen auf (auch das ist ein Hinweis darauf, dass die ursprüngliche Mutation bereits vor langer Zeit stattgefunden hat), wobei allerdings zwei unterschiedliche Formen zu unterscheiden sind.
Die eine Form, die der Typ I Cystinurie des Menschen sowohl von der Symptomatik als auch von der genetischen Grundlage entspricht, tritt beim Neufundländer und Landseer auf. Diese Form wird autosomal rezessiv vererbt, Rüden und Hündinnen sind gleichermaßen betroffen. Heterozygote Tiere zeigen normale Ausscheidung von Cystin. Homozygote Defektgenträger zeigen extrem hohe Cystinausscheidung, Steine werden insbesondere bei Rüden bereits sehr früh (mit vier bis sechs Monaten) gebildet. Die causale Mutation ist bekannt und obwohl diese Form klinisch viel schwerer verläuft als die Cystinurie bei anderen Rassen, lässt sie sich durch die Verfügbarkeit eines Gentests inzwischen in den betroffenen Rassen gut kontrollieren. Eine ähnliche Mutation wurde inzwischen auch beim Labrador Retriever gefunden.
Die andere Form tritt bei einer ganzen Reihe von Hunderassen auf. Häufig betroffen sind neben dem Irish Terrier z. B. der Australian Shepherd, Basenji, Basset, Bullmastiff, Chihuahua, Dackel, Englische Bulldogge, Mastiff, Neufundländer, Deerhound, Scottish Terrier, Staffordshire Terrier sowie weitere 23 Rassen.
Das Problem ist, dass die Cystinurie bei diesen Rassen in sehr unterschiedlicher Form auftritt.
Ich zitiere hier mal wörtlich:
"Während manche Unterschiede in den verschiedenen Studien auf unterschiedlichem Ausmaß klinischer bzw. Labordiagnostik oder auf methodischen Unterschieden in der Diagnostik beruhen mögen, so zeigen sich doch auch unterschiedliche phänotypische Aspekte in unterschiedlichen Studien im Lauf der Zeit.
Dazu gehören unterschiedliche Ausscheidung von Cystin bei steinbildenden Hunden, die von einem ganz normalen Cystinspiegel bis zu einem hundertfachen des normalen Wertes reichen können.
Auch unterschiedliche Ausscheidung von Cystin bei ein und demselben steinbildenden Hund zu verschiedenen Zeiten ist möglich.
Und auch Steinbildung bei Hunden, bei denen keine erhöhten Cystinspiegel nachzuweisen sind, kommt immer wieder mal vor.
Diese verschiedenen Beobachtungen weisen darauf hin, dass möglicherweise ein erhöhter Cystinspiegel nicht die einzige Voraussetzung für die Bildung von Cystinsteinen darstellt."
Das Alter, in dem die Cystinsteine erstmals auftreten, wird von den Autorinnen als ein wichtiger Faktor zur Klassifizierung der Cystinurie angesehen.
* Bei der Typ I Form des Neufundländers bilden sich ja die ersten Steine bereits beim ganz jungen Hund. * Bei der anderen Form liegt das durchschnittliche Alter der Steinbildung bei etwa 5 Jahren. * Aber etwa 11% der Hunde bilden Steine bereits mit etwa 2 Jahren oder sogar früher (eine Beobachtung, die ja wohl auch beim Irish Terrier inzwischen bestätigt wurde), wobei diesbezüglich sowohl zwischen den Rassen als auch innerhalb der Rassen Unterschiede bestehen können.
Es gibt übrigens auch Fälle, in denen mit zunehmendem Alter bei cystinurischen Hunden die Cystinausscheidung reduziert wird und bis auf ganz normale Werte zurückgeht.
Aus der großen Variabilität der Cystinurie innerhalb und zwischen den betroffenen Rassen schließen die Autorinnen auf eine entsprechende genetische Heterogenität.
Das ist auch nicht ganz überraschend, wenn man bedenkt, dass beim Menschen in den zwei Genen, die als ursächlich für die beiden Cystinurieformen des Menschen bekannt sind, bislang insgesamt mehr als 170 verschiedene Mutationen identifiziert worden sind, von denen ein großer Teil mit der Non Typ I Form, also der Form, die der des Irish Terrier ähnlich ist, assoziiert ist.
Ganz interessant erscheint mir in dieser Arbeit auch eine Übersichtstabelle mit Werten für die Aminosäureausscheidung bei cystinurischen und normalen Hunden.
Die Autorinnen schließen zunächst mit der mal eher deprimierenden Schlussfolgerung, dass abgesehen von der Cystinurieform des Neufundländers die Cystinurie beim Hund genetisch komplexer ist als beim Menschen.
Gleichzeitig weisen sie aber darauf hin, dass mit den neuen molekulargenetischen Ansätzen (die sich ja übrigens seit der Publikation dieser Arbeit auch weiterentwickelt haben) auch für Erkrankungen, die so komplex sind, Möglichkeiten zur genetischen Abklärung gegeben sein werden.
Quelle
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