Insulinom

Aetiologie

Insulinome sind Betazelltumore des Pankreas. Sie produzieren und sezernieren Insulin autonom und können somit zu schweren Hypoglykämien führen. Zum Zeitpunkt der Diagnose haben Insulinome meistens bereits Metastasen gebildet. Am häufigsten metastasieren sie in die regionalen Lymphknoten und in die Leber. Gelegentlich sind auch das Duodenum, Mesenterium, Milz, Herz oder Rückenmark mitbetroffen. Metastasen in die Lunge sind sehr selten.

Symptome/Klinik

Insulinome treten v. a. bei mittelalten bis alten Hunden auf (mittleres Alter 10 Jahre). Rassen- oder Geschlechtsprädispositionen sind keine bekannt, jedoch scheinen großrassige Hunde (Deutscher Schäferhund, Labrador- und Golden Retriever, Irish Setter) häufiger betroffen zu sein. Die klinischen Symptome sind hauptsächlich auf die Auswirkungen der Hypoglykämie auf das Zentrale Nervensystem (ZNS), die sogenannte Neuroglykopenie, oder auf die Hypoglykämie-induzierte Katecholaminfreisetzung zurückzuführen. Typischerweise zeigen die Tiere Schwäche, Apathie, Desorientierung, Anfälle, Kollaps oder Koma, Muskelzittern, Unruhe und Hecheln. Wie ausgeprägt die Symptome sind, hängt vom Schweregrad sowie von der Dauer der Hypoglykämie ab. Hunde mit chronischer Hypoglykämie können tiefe Blutglukosespiegel (1-2 mmol/L) sehr lange symptomlos tolerieren. Werden solche Tiere belastet oder länger gefastet, kann es dann sehr plötzlich zu den oben beschriebenen Symptomen kommen. Meistens sind sie allerdings nur für kurze Zeit zu beobachten und selbstlimitierend, da es durch die gegenregulatorischen Mechanismen (z. B. Katecholaminausschüttung) wieder zum Anstieg der Glukose kommt. Bei der klinischen Untersuchung sind Hunde mit Insulinom meist unauffällig. Durch den anabolen Effekt des Insulins können sie adipös sein. Ebenfalls beschrieben sind periphere Polyneuropathien, die sich durch Propriozeptionsdefizite, Hinterhandschwäche, reduzierte Reflexe und Muskelatrophien äußern können.

Diagnose

Ein tiefer Blutglukosespiegel bei einer gleichzeitigen Insulinkonzentration oberhalb des Referenzbereichs kann als beweisend angesehen werden. Definitiv bestätigt wird die Diagnose durch eine histologische bzw. immunhistologische Untersuchung der Pankreasmasse. Kann bei starkem klinischen Verdacht eine Hypoglykämie nicht bestätigt werden, empfiehlt es sich, den Hund zu fasten und dabei die Glukose alle ein bis zwei Stunden zu kontrollieren. Die meisten Tiere mit Insulinom entwickeln innerhalb einer 12-stündigen Fastenperiode eine Hypoglykämie. Erst zu diesem Zeitpunkt sollte dann auch das Insulin bestimmt werden. Bildgebende Verfahren können angewandt werden, um den Tumor bzw. bereits vorhandene Metastasen zu lokalisieren. Mittels ultrasonographischer Untersuchung können möglicherweise größere Pankreasmassen, vergrößerte fokale Lymphknoten oder Lebermassen dargestellt werden. Allerdings muss man sich bewusst sein, dass diese Untersuchung eine schlechte Sensitivität hat und daher ein Tumor bzw. dessen Metastasen verpasst werden können. Gemäß einer neueren Studie und in Anlehnung an die Humanmedizin ist eine Zwei-Phasen-Angio-Computertomographie eine gute und nicht-invasive Methode zur Tumorlokalisation. Eine solche Untersuchung scheint jedoch nur dann sinnvoll, wenn für den Besitzer eine chirurgische Entfernung in Frage kommt.

Therapie

1. Notfalltherapie der akuten hypoglykämischen Krise

Die akuten Symptome einer Hypoglykämie treten in der Regel nach Anstrengung oder Aufregung auf. Dem Besitzer wird geraten, bei einer hypoglykämischen Krise falls möglich zuckerhaltige Nahrung, z. B. Honig, in das Maul des Tieres zu streichen. Sobald sich das Tier stabilisiert hat, sollte eine kleine Portion eiweißreiches Futter angeboten werden. Wird der Patient mit einem hypoglykämischen Anfall vorgestellt, werden 0,5 g/kg Körpergewicht 50%-ige Glukoselösung verdünnt in 0,9%iger NaCl-Lösung im Verhältnis 1:3 intravenös verabreicht. Vorsicht ist geboten, da die Glukoseinfusion zu einer erneuten Insulinausschüttung und somit zu einem "Reboundeffekt" mit erneuter Hypoglykämie kommt. Falls nötig, kann nach dem Bolus eine 2,5%-5% Glukoseinfusion verabreicht werden. Führt dies immer noch nicht zum gewünschten Erfolg, werden 0,5 mg/kg Dexamethason im Dauertropf über 6 Stunden infundiert. In schweren Fällen kann sogar eine Behandlung mit Pentobarbital über mehrere Stunden erforderlich sein, während der die Glukoseinfusion weitergeführt wird, bis die Anfälle sistieren. Es ist nicht das Ziel, den Glukosespiegel in den Normalbereich zu bringen, sondern das Tier so zu stabilisieren, dass es bei Bewusstsein ist und wieder selbständig Futter aufnehmen kann.

2. Langzeittherapie

Chirurgische Entfernung des Tumors sowie sichtbarer Metastasen

Diese gilt nach wie vor als Therapie der Wahl. Außerdem kann so die Diagnose histologisch bestätigt werden. Postoperative Komplikationen sind Pankreatitis, diabetische Ketoazidosen, verzögerte Wundheilung, Sepsis sowie persistierende postoperative Hypoglykämien.

Medikamentelle Therapie

Eine präoperative medikamentelle Therapie ist wichtig und allenfalls postoperativ notwendig bei persistierender Hypoglykämie durch nicht-entfernte Metastasen. Kommt eine chirurgische Entfernung nicht in Frage, kann sie alternativ dazu eingesetzt werden. Primäres Ziel ist nicht das Erreichen eines normalen Blutglukosespiegels, sondern die Schwere der klinischen Symptome zu reduzieren und eine hypoglykämische Krise zu verhindern. Ein gutes diätetisches Management ist neben der Medikamentenapplikation enorm wichtig. Es wird empfohlen, mehrmals täglich kleine fett- und eiweißhaltige Mahlzeiten zu verabreichen. Komplexe Kohlenhydrate können in der Mahlzeit enthalten sein, jedoch sollte unbedingt auf Einfachzucker verzichtet werden, da diese zu einer vermehrten Insulinsekretion und somit zu einer postprandialen Hypoglykämie führen können. Außerdem sollten die Hunde möglichst wenig bewegt und jede Anstrengung vermieden werden.

– Glukokortikoid-Therapie

Prednisolon in einer Dosis von 0,5-4 mg/kg pro Tag verteilt auf zweimal täglich ist die einfachste, häufigste und günstigste Therapie. Man sollte mit der niedrigsten Dosierung beginnen und je nach Bedarf langsam die Dosis steigern.

– Diazoxid-Therapie

Diazoxid ist ein Benzothiadiazin-Derivat und hemmt die Insulinsekretion. Außerdem führt es zu einer vermehrten Glykogenolyse und Glukoneogenese. Die empfohlene Dosierung ist 10-40 mg/kg oral, verteilt auf zweimal täglich. Da die Wirkung nicht bei allen Hunden gleich ist, wird empfohlen, mit der niedrigen Dosis anzufangen. Auch bei maximaler Dosierung sprechen jedoch nur ca. 70% der Tiere an. Nebenwirkungen wie Speicheln, Erbrechen und Anorexie sind möglich.

– Somatostatin-Therapie

Octreotid (Sandostatin®), ein synthetisches langzeitwirkendes Somatostatin-Analog, kann die Insulinsynthese und -sekretion hemmen. Das Ansprechen auf das Medikament ist primär abhängig von der Bindung an Somatostatin-Rezeptoren auf den Tumorzellen und diese scheint v. a. beim Hund sehr variabel zu sein, da nur ein Teil der Tiere auf die Octreotid-Therapie anspricht. Eine Dosierung von 2-4 µg/kg, zweimal täglich subkutan verabreicht, scheint gut verträglich.

– Streptozocin (STZ; Zanosar®)-Therapie

STZ, ein Nitrosoharnstoff, wird als Chemotherapeutikum eingesetzt und führt zur selektiven Zerstörung der Beta-Zellen. Der Einsatz wird in der Veterinärmedizin kontrovers diskutiert, da das Medikament sehr stark nephrotoxisch ist und außerdem zu einem iatrogenen Diabetes mellitus führen kann.

Prognose

Die Prognose ist vorsichtig, falls bereits sichtbare Metastasen vorhanden sind, da dies als negativ-prognostischer Faktor gilt. Weitere negativ-prognostische Faktoren sind das Auftreten in jungem Alter sowie postoperative Hypoglykämie. Die mittlere Überlebenszeit nach partieller Pankreasektomie wird in älteren Untersuchungen mit 12 bis 14 Monaten, mit einer Spanne von null Tagen bis fünf Jahren angegeben. In einer neueren Studie wird nach chirurgischer Tumorresektion eine mittlere Überlebenszeit von 785 Tagen angegeben; Hunde, die einen Rückfall erlitten und daraufhin mit Prednisolon behandelt wurden, zeigten eine Überlebenszeit von 1316 Tagen.

Quelle


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